Brisbane und der Autoverkauf

Tag 1 in Brisbane

Wir fahren durch eine nordamerikanisch wirkende Vorstadtkulisse. Bloß, dass es gar keine Vorstadt ist, oder besser gesagt: Alles hier an der Gold Coast ist Vorstadt. Und die Summe dieser Vorstädte ergibt eine Stadt.

Wir entspannen uns etwas, als wir in Brisbane ankommen. Hier empfangen uns kleinere Hochhäuser. Nicht dass wir Freunde von Großstädten wären, aber für unser Vorhaben rechnen wir uns in Ballungsorten mehr Chancen aus.

 
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Die Stadt wirkt noch sehr verschlafen an diesem Sonntag Morgen. Wir nutzen die Ruhe, um Wilson den letzten nötigen Feinschliff zu verpassen. Das Equipment wird ausgeladen und jede Ecke geputzt, schließlich soll unser treuer Begleiter einen guten ersten Eindruck machen.Erst jetzt merken wir wie viel Krempel in den 2,5 Monaten zusammen gekommen ist. Es wird aussortiert und alles unnötige entsorgt. Gypsy Flair mitten auf einer Tankstelle in Brisbane.

 

Wir drucken insgesamt 22 vorgefertigte Anzeigen für die Notice Boards und verteilen diese in den wenigen Hostels der Stadt. Die Bretter sind voll. Momentan scheint jeder sein Auto an den Mann bringen zu wollen, wir lassen uns nicht hängen, im Gegenteil wir sind zuversichtlich. Anrufer bleiben aus.

 
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Tag 2 in Brisbane

Um Hostelgebühren zu ersparen, beziehen wir während der Zeit des Autoverkaufs kein Zimmer, stattdessen fahren wir 20 km aus der Stadt raus. Wir haben ein nettes, abgelegenes Plätzchen inkl. kostenloser Dusche gefunden. Eigentlich steht hier die sogenannte “Honest Box”, allerdings scheint es niemanden zu kümmern, dass wir hier schon einige Nächte in Folge verbringen. Anrufer bleiben heute aus.

 
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Tag 3 in Brisbane

Wir haben die Stadtbibliothek für uns entdeckt und liebevoll auf den Namen “Büro” getauft. Die nächsten Tage verbringen wir sehr viel Zeit in unserem neuen Büro. Die gute, kostenlose Internetverbindung wird unter anderem auch für die Planung der Weiterreise genutzt. Die Tatsache, dass wir Flüge nur ungern wochenlang im Vorhinein buchen, die Freiheit und Flexibilität immer höchste Priorität hatten, rächt sich nun an uns. Die Ticketpreise sind so kurz vor Ausreise in die Höhe geschossen. Neben dem Autoverkauf kümmern wir uns parallel um unsere Ausreise.

 
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Eigentlich war ein Roadtrip durch Neuseeland geplant, nachdem wir aber in fast jedem Land länger als geplant geblieben sind, haben wir nun den Winter im Kiwi Country. Nicht gerade die beste Reisezeit. Es regnet unaufhörlich und auf Kälte haben wir, so sonnenverwöhnt wie wir sind, gar keine Lust. Wir schmeißen also all unsere Pläne um 17 Tage vor der endgültigen Ausreise. Unser Vorteil, wir haben kein “Round the World Ticket” und sind somit nicht gezwungen ,nur in eine Richtung der Welt zu fliegen. Wir suchen, recherchieren, drehen, wenden bis wir schließlich eine Lösung finden und die hat es in sich. Anrufer bleiben auch heute aus.

 

Tag 4 in Brisbane

Es hat sich schon so etwas wie ein Alltag eingespielt. Wir stehen um 7 Uhr auf, frühstücken, duschen und starten pünktlich um 8 Uhr Richtung Büro. Heute stoppen wir einige Male an der Ipswich Road. Autohändler haben sich entlang der Straße niedergelassen, rein aus Interesse checken wir ab, ob jemand Wilson abkaufen würde. Die Aussagen und Angebote sind vernichtend: zu alt, zu viele Kilometer, 300$, 500$. Wir fahren weiter, auch heute bleiben Anrufer aus.

 
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Tag 5 in Brisbane

Wir starten den Tag doch tatsächlich mit einer Besichtigung. Noch bevor wir uns gestern Abend schlafen legen, bekommen wir eine SMS. Ein Pärchen ist interessiert. Wilson gefällt ihnen, sie scheinen sehr begeistert.

 
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Bevor wir mit den Verhandlungen starten erzählen die beiden: “Wir sind Aussteiger”. Cedaou kam nach Australien, um das große Geld zu machen, Isabella folgte nur drei Monate später. Beide arbeiten in einer Vorstadt von Brisbane. Öffentlicher Transport ist in Australien sehr teuer, der Grund wieso sie die letzten Tage intensiv nach einem Auto suchen. Trotz aufstrebender Karriere, wie die beiden behaupten, drücken sie den genannten Preis um die Hälfte. Obwohl wir keine weiteren Interessenten haben behaupten wir, dass wir heute noch eine Besichtigung haben, wir lassen uns auf den Preis nicht ein. Wilson ist viel mehr wert und das wissen wir. Sie möchten noch 1-2 Nächte darüber schlafen. Wir fahren weiter.

 

Tag 6 in Brisbane

Während wir unsere Verkaufsstrategie ausweiten – Heckscheibenbemalung, bleibt ein Local stehen. Er guckt, spaziert einmal um das Auto und notiert sich die Handynummer. Weitere Interessenten bleiben aber aus.

 
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Tag 7 in Brisbane

Heute ruft Claudia an. 21 Jahre jung, blond und aus Deutschland. Nachdem wir gefühlte drei Stunden mit ihr verbringen, alle Details mit ihr durchgehen und ihr zu jeder noch so klitzekleinen Delle Rede und Antwort stehen, bietet sie uns 1000 $ an. “Sie ist Studentin und kann leider nicht mehr bezahlen”!

Wir sind fassungslos und fahren weiter. Insgeheim hoffen wir, dass Claudia NIE wieder anruft!!!!

 
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Tag 8 in Brisbane

Auch heute starten wir den Tag mit einer Besichtigung, doch bevor es losgeht nennen wir Mike aus England klipp und klar unsere Schmerzgrenze, darunter wird nicht mehr verhandelt. Er ist einverstanden und möchte das Auto sehen.

Es ist bereits unser zweiter Besuch im “GoNow” Hostel. Mike ist ein ernst zu nehmender Käufer und er weiß was er will. Das Equipment im Auto schätzt er zwar, seine Aufmerksamkeit richtet er auf den Motor, die Reifen und Technik im Innenraum.

Er ist begeistert und möchte eine Probefahrt. Nach wenigen Metern biegt er in die Einfahrt des Hostels ein, stellt den Motor ab und steigt aus. Wir fragen uns was die Sch**** soll.

Der Hostelbesitzer ist anscheinend ein Allroundtalent, neben blöd an der Rezeption stehen, schraubt er in seiner Freizeit gerne an Autos. Er soll für Mike, Wilson beurteilen. Na dann los, schließlich haben wir nichts zum Verbergen.

 
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Nach einigen “Checks” scheinen Host und Mike zufrieden zu sein, da wir aber kein “Roadworty Certificate” haben – ähnlich zum österreichischen Pickerl, besteht Mike noch auf ein Profi – Check beim Mechaniker und dafür bittet er uns zur Kasse.

Wir erklären ihm, dass wir selbstverständlich NICHT für den Check aufkommen werden, da ein derartiges Zertifikat im Bundesstaat “Western Australia” also wo wir das Auto gekauft haben nicht notwendig ist. Wir einigen uns auf einen kleinen Rabatt, sollte Mike das Auto tatsächlich kaufen.

 
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Tag 9 in Brisbane

11 Tage bis zur Ausreise und noch kein ernst zunehmender Abnehmer für Wilson. Mike ist zwar interessiert, allerdings kann sich der Termin für einen Mechaniker Check noch Tage hinausziehen. Zeit die wir nicht mehr haben.

Die Weiterreise steht, mit der Buchung warten wir aber bis wir Wilson verkauft haben.

 
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Cedaou und Isabella haben sich zwar gemeldet, das Angebot blieb aber auf altem Stand, von Claudia haben wir zum Glück nichts mehr gehört.

Wir haben aber noch ein Ass im Ärmel. Sein Name ist Nick und er ist auch aus England.

Völlig ausgepowert fahren wir noch ein letztes Mal zum potenziellen Kunden.

Nick wirkt etwas gestresst und ein wenig wie auf LSD. Seine Hände zittern und er ist nervös, man könnte meinen er verkauft das Auto und nicht umgekehrt.

Nach 10 Minuten haben wir das Verkaufsgespräch hinter uns gebracht. Nick hat alles gesehen und obwohl er noch nicht mal eine Probefahrt gemacht hat, will er das Auto kaufen. Wir freuen uns natürlich, doch einen kleinen Haken hat das Ganze.

Nick hat kein Bargeld. Seine Kreditkarte gibt auch nicht mehr als 1000 $ pro Tag her, er bietet uns eine Sofortüberweisung an. Wir lehnen ab, nur Bares ist Wahres. Er erkundigt sich nach weiteren Interessenten und wir sagen selbstverständlich, dass wir einige potenzielle Käufer haben, er wird noch nervöser und verspricht noch heute mit seiner Bank zu telefonieren. Morgen um 13 Uhr will er sich melden.

Tag 10 in Brisbane

Wir sitzen im Büro und stellen uns zum ersten Mal die Frage: Was wenn wir Wilson nicht mehr rechtzeitig verkaufen?

Und als wir dabei sind alle Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen, vibriert das Handy – NICK. Pünktlich, wie die Schweizer Uhr.

Nick: Hi, here is Nick. I get the money. Where should we meet?

Während ich mit Nick telefoniere, fällt ein Stein vom Herzen. Daumen hoch und auch Mario ist total aus dem Häuschen.

50 Minuten später wechselt Wilson den Besitzer.

Die Kofferraumtür ist offen, der Esky dient als Untersatz. Ein letztes Mal füllen wir das Formular aus “Notification of Change of Ownership – Vehicle Licence Transfer”. Diesmal bekommen wir den Green Slip Durchschlag, Nick den Pink Slip. Wir erklären ihm nochmal, was er genau zu tun hat, was wir zu tun haben, wo er seine Versicherung günstig abschließen kann, wie einfach er die “Rego” verlängern kann und schließlich übergeben wir ihm schweren Herzens die Schlüsseln.

 
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  • Über 16.000 gefahrene Kilometer
  • 71 Übernachtungen im Auto
  • 3 Zeitumstellungen
  • Unzählige Kängurus, Emus, Rinder, Schlangen, Lizards, Hasen, Adler, Geier, Riesenheuschrecken … – tot und lebendig begegnet
  • 1 Koala Rettung
  • 1 Malheur welches uns fast den Roadtrip gekostet hat
  • Unzählige Male an der Zapfsäule gestanden
  • Einige Offroad Strecken zurückgelegt
  • Unzählige wunderschöne Sonnenauf- und Untergänge erlebt

1 treuer Begleiter – WILSON!

Nach fast 3 Monaten sagen wir heute “Goodbye, Friend” – Wilson hat uns nicht ein einziges Mal auf unserem Roadtrip kreuz und quer durch Australien im Stich gelassen vielleicht ein Grund, wieso wir ihn nur schwer wegfahren lassen. Heute hat er den Besitzer gewechselt wir trauern und feiern zugleich.

Zur Feier des Tages checken wir in eine fette Kolonialvilla ein. Wir beziehen nach drei Monaten endlich wieder ein Doppelzimmer inkl. TV. Purer Luxus!

Die nächsten drei Tage liegen wir im Bett und gehen nur raus, wenn das Bier alle ist. Der Fernseher übrigens läuft rund um die Uhr.

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